Der achte Schöpfungstag

 

Ausgeruht und voller Schöpferkraft erwacht Gott am achten Tag nach dem Beginn der Schöpfung.

 

„Nun ist alles fertig“, denkt er bei sich während er die letzten kleinen Federwolken aus den Mantelfalten schüttelt. „Eigentlich ist das echt schade. Es war eine wundervolle Woche. Jetzt ist sie geschaffen, die Erde. Alles ist richtig gut geworden.“

Gott ist auch heute Morgen noch mit all dem sehr zufrieden, was er geschaffen hat. Natürlich wird sich noch Dies und Das im Lauf der nächsten Jahrtausende weiter entwickeln und anpassen. Aber diese inneren Möglichkeiten hatte er ja bereits gleich mit geschaffen. Sie müssen jetzt einfach nur noch geschehen.

Und während sich Gott die Erde und den ganzen Kosmos noch einmal anschaut wird ihm ganz warm ums Herz

„Ich liebe all das, was ich da geschaffen habe“, fühlt und denkt Gott. „Und die Menschen sind mir wirklich sehr ähnlich geworden. Sie fühlen und denken so wie ich. Sie sind Schöpfer wie ich. Sie erschaffen ihr eigenes Leben. Und sie können in ihrer Welt so viel Neues erschaffen. Sie müssen es sich eben nur ausdenken. Ich liebe sie und sie lieben mich. Irgendwie sind wir eins. Immer wenn ich mir einen dieser Menschen anschaue, sehe ich mich in ihnen. Und sie lieben und genießen alles, was ich erschaffen habe. Es ist Alles so wunderbar und großartig. Ich glaube, ich gehe gleich mal wieder zu ihnen. Ich mag ihre strahlenden Augen, wenn sie vom dem berichten, was sie gerade entdeckt haben und mir erzählen, welche Bedeutung und welche Namen sie den einzelnen Geschöpfen gegeben haben.“

Gott dreht sich um und will direkt in den Garten Eden gehen. Da stolpert er über einen kleinen Engel.

„Was machst Du denn hier?“, fragt Gott.

„Ach“, sagt der kleine Engel, „ich wollte nur mal gucken, was Du heute so machst“.

„So, so“, sagt Gott, „ und nun weißt Du es. Ich wäre beinahe über dich gestolpert. Aber sag mal, wozu willst Du überhaupt wissen, was ich heute mache?“

„Naja, ich…“ druckst der kleine Engel schüchtern herum. „Die anderen Engel trauen sich nicht. Deshalb haben sie mich geschickt. Ich soll heraus bekommen, ob Du heute den nächsten Himmel und die nächste Erden schaffen wirst. Das würden nämlich aller sehr gut finden und wollen gern wieder dabei sein. Sie warten alle schon, dass ich zurück komme und ihnen sage, dass es jetzt gleich wieder los geht. Es war einfach so großartig.“

Gott nimmt den kleinen Engel auf den Schoß. Dabei schaut er zuerst dem kleinen Engel in die Augen und dann in die Ferne. Der kleine Engel ist ganz still. Gern hätte er gewusst, was Gott gerade denkt. Aber Gedankenlesen konnte er nicht. Er war ja nur ein Engel. Nach einer weiteren Zeit der Stille sagte Gott:

„Weißt Du, das geht nicht. Die Welt ist einzigartig geworden und ich liebe sie. Ich will keine andere Welt und auch nicht immer mehr Welten. Es ist alles gut so, wie es ist. Aber ich verstehe, dass es euch großen Spaß gemacht hat, mir zuzusehen. Ich werde Eure erstaunten und fröhlichen Gesichter auch nie vergessen. Danke auch für die wunderbare Musik, die ihr immer wieder gemacht habt und die vielen Farben, die ihr dabei erfunden habt. Das hat mich alles sehr inspiriert. Bitte macht das weiter so. Das wird die Menschen ebenso inspirieren und ihnen helfen, das zu erschaffen, was sie erschaffen wollen. Aber noch eine Welt werde ich nun nicht mehr erschaffen.“

Der kleine Engel blickt traurig in die Ferne und sucht die Stelle, zu der Gott vorhin geschaut hat. Er kann sie aber nicht finden. Nach einer Zeit der Stille sagt er dann bittend wie ein kleines Kind:

„Ach Gott. Das ist schon richtig und es ist auch gut. Aber eine kleine Welt, eine ganz kleine Welt, eine ganz kleine Schöpfung – einfach nur so, weil es so schön war in der letzten Woche, das wirst Du uns doch nicht abschlagen können. Alle Wesen der himmlischen Welt warten so sehr darauf.“

Gott denkt nach. Er denkt eine Weile nach. Er denkt eine ganze lange Weile nach und dann sagt er:

„Okay. Mir hat es ja auch unheimlich viel Spaß gemacht. Wir suchen jetzt aus jedem Tag das Beste heraus und daraus erschaffe ich auf der Erde noch ein besonders Stück Erde.“

 

Da springt der kleine Engel voller Freude von Gottes Schoß und rennt hinaus zu den anderen himmlischen Wesen, die schon ungeduldig warten.

 

„Na, was ist? Macht er weiter?“, wird der kleine Engel von Allen bestürmt.

Und der kleine Engel berichtet stolz, was Gott beschlossen hat. Sofort beginnt in der ganzen himmlischen Welt der allergrößte Jubel, den es bisher hier gegeben hat. Erst zu Weihnachten, also viele Erdumdrehungen später, wurde dieser Jubel noch einmal überboten.

 

Dann erscheint Gott und schafft, inspiriert von dem Besten, was er in den letzten 7 Tagen der Schöpfung gedacht, gefühlt und erlebt hat eine kleine Welt, einen kleinen Inselarchipel. Sieben kleine Inseln entstehen mitten im großen Ozean. Plötzlich stutzt Gott. Nein, neue Menschen will er nicht noch einmal erschaffen. Er liebt die Menschen, die er bereits geschaffen hat einfach zu sehr. Und er geht zu den Menschen und fragt sie, ob sie vielleicht die Schöpfung des 8. Tages bewohnen wollen. Aber die meisten Menschen haben es sich im Rest der Welt bereits sehr gemütlich gemacht. Sie wollen ihre Wohnplätze nicht mehr verlassen. Es gibt nur wenige Menschen, die bereit sind, die Schöpfung des 8. Tages zu besiedeln. „Das sind ganz besondere Menschen“, denkt Gott und schmunzelt. „Hier ist eben wirklich das Beste aus den letzten 7 Tagen zusammen.“

 

Als die ersten Bewohner die Inseln betreten, beginnen alle himmlischen Wesen in die Hände zu klatschen, zu tanzen und zu singen. Und Gott ruft laut „La Palma“ und klatscht auch in seine Hände und tanzt und singt mit allen himmlischen Wesen. Und Gott sieht an, was er gemacht hat und sagt: „Es ist sehr gut, nur eben alles etwas anders.“

 

Viel, viel später hat einmal Jemand behauptet, La Palma sei viel näher an Weihnachten dran, als Bethlehem. Und er hat tatsächlich Bethlehems Stall  auf La Palma gefunden und seit dem ereignet sich das Wunder der Weihnacht täglich auf der Insel, die Gott am 8. Schöpfungstag geschaffen hat. „Hirten“ und „Könige“ kommen, verändern ihr Leben und gehen danach andere Wege. Sie leben als andere Menschen in der Welt und teilen den Segen des achten Schöpfungstages mit anderen Menschen.

 

WS 12/2016

 

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